Bayern: Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz verabschiedet

Bayern hat endlich sein antiquiertes Unterbringungsrecht für psychisch Kranke reformiert. Das neue Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) wurde am 11. Juli 2018 vom Landtag beschlossen.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf war auf breite Kritik von Fachleuten und Betroffenen gestoßen; sämtliche Medien hatten diese Kritik aufgegriffen.
Der vehemente Protest der Fachwelt und der Medien hatte in mehreren wichtigen Punkten Erfolg: Der Landtag hat nun ein Gesetz verabschiedet, das der Kritik weitgehend Rechnung trägt.

Positive Änderungen sind:

• Als Zweck der Unterbringung wird nun an erster Stelle die Hilfe für Betroffene genannt, vorher war die Gefahrenabwehr im Vordergrund gestanden.
• Die begriffliche Nähe zur Forensischen Psychiatrie, die im ursprünglichen Entwurf an zahllosen Stellen zu finden war, ist nun nahezu verschwunden. Einzig beim Datenschutz (Art. 31) wird noch auf das Maßregelvollzugsgesetz verwiesen.
• Die ursprünglich geplante Datenbank mit sensiblen Patienten-Daten, auf die Polizei und Ordnungsbehörden Zugriff hätten haben sollen, wird es nicht geben.
• Zu allen Unterbringungs- und Zwangsmaßnahmen werden nun Daten erhoben, die anonymisiert in einem „Melderegister“ gespeichert werden; dies dient der Qualitätskontrolle.
• Es werden flächendeckend in ganz Bayern Krisendienste eingerichtet. Damit ist Bayern in einem wichtigen Punkt ausnahmsweise einmal Vorreiter unter den Bundesländern.
• Statt Unterbringungs-Beiräte wird es nun wie bisher Besuchskommissionen geben, deren Rechte sogar gestärkt werden: sie können die Einrichtungen unangemeldet besuchen und mit Patient/innen ohne Überwachung reden, sie können Beschwerden und Anregungen entgegennehmen und an die Einrichtung bzw. an eine „Fachaufsichtsbehörde“ weiterleiten.
• Alle drei Jahre wird es einen Psychiatriebericht an den Landtag geben, der die ambulante und die stationäre Versorgung umfasst (und hoffentlich auch selbstkritische Aspekte enthält).
• Selbsthilfeorganisationen werden in die Planung der psychiatrischen Versorgung einbezogen.

Nach wie vor bestehende Kritik der Fachwelt:

• Als einer der Gründe für eine Unterbringung wird die „Gefährdung des Allgemeinwohls“ genannt. Durch diese schwammige Formulierung wird der Kreis der potentiell Betroffenen massiv ausgeweitet.
• Zwar kommt die bisher vorgesehene Unterbringungsdatei nicht mehr im Gesetz vor (siehe oben), jedoch werden in Zukunft die Daten von Patient/innen, die als fremdgefährdend eingestuft werden, bei der Entlassung von der Klinik an die Polizei und die Kreisverwaltungsbehörde gemeldet. Diese Speicherung von persönlichen Daten ist überflüssig, weil sie keinerlei Beitrag zur Prävention von eventuellen zukünftigen Krisen leisten kann. Sie ist zudem schlichtweg diskriminierend.
• Besuchskommissionen: deren Mitglieder werden von einer Behörde benannt, der erwähnten Fachaufsichtsbehörde bzw. dem Justizministerium; Vertreter von Betroffenenorganisationen und Mandatsträger (Mitglieder von Landtag oder Bezirkstag) können allenfalls nach dem Ermessen der Behörde berufen werden.
• Bei einer sofortigen Unterbringung durch die Polizei muss ein Krisendienst leider nicht zwingend hinzugezogen werden.
• Selbsthilfeorganisationen werden zwar in die Planung der psychiatrischen Versorgung einbezogen (siehe oben), allerdings mit einer wenig verbindlichen Formulierung: „in angemessenem Umfang“.
• Unabhängige Beschwerdestellen sind in dem Entwurf nicht vorgesehen, lediglich behördeninterne (die genannte Fachaufsichtsbehörde). Erstere gibt es bisher ausschließlich im Bezirk Oberbayern; sie werden von engagierten Ehrenamtlichen betrieben, deren Möglichkeiten naturgemäß begrenzt sind.

Damit hat Bayern – bei aller berechtigten Kritik – in Bezug auf eine moderne psychiatrische Versorgung endlich den Anschluss an andere Bundesländer gefunden. Weitere Schritte müssen aber folgen!

Hinweis: Dieser Text kann als PDF heruntergeladen werden von der Website der Beschwerde- und Beratungsstelle KOMPASS.