6. Die Einwilligungsfähigkeit

Was bedeutet: einwilligungsfähig?

Wir haben vorhin unter Punkt 5. den Begriff Einwilligungsvorbehalt kennengelernt: da ging es um Rechtsgeschäfte. Der Begriff Einwilligung taucht jetzt wieder auf, aber in einer etwas anderen Bedeutung. Das ist auf den ersten Blick verwirrend, entspricht aber dem juristischen Sprachgebrauch, deshalb müssen wir uns damit auseinandersetzen.

Bei Handlungen und Maßnahmen, die keine Rechtsgeschäfte betreffen, sondern den Bereich der Personensorge, kommt es nicht auf die Geschäftsfähigkeit an, sondern auf die Einwilligungsfähigkeit. Sie bezeichnet die Fähigkeit des Betroffenen, 1. das Für und Wider einer Maßnahme der Personensorge zu erkennen, 2. die Argumente gegeneinander abzuwägen und 3. auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu treffen.

Sehr wichtig: Wer einwilligungsfähig ist, darf Entscheidungen über seine Personensorge auf jeden Fall selbst treffen, auch wenn er einen Betreuer hat. Anders ausgedrückt: Wenn jemand in der Lage ist, solche Entscheidungen zu treffen, darf niemand anderer an seiner Stelle entscheiden – wirklich niemand!

Beispiel: Ihr Betreuer hält eine ärztliche Behandlung für nötig; Sie selbst sind aber ganz anderer Meinung. Dann darf der Betreuer diese Behandlung nur dann in die Wege leiten, wenn Sie nicht einwilligungsfähig sind. Sind Sie dagegen einwilligungsfähig, darf Ihnen niemand – kein Arzt, kein Betreuer und kein Gericht – vorschreiben, was Sie zu tun haben bzw. was Sie über sich ergehen lassen müssen. (Abgesehen davon gibt es für eine ärztliche Zwangsbehandlung besonders strenge gesetzliche Vorschriften; mehr dazu im Kapitel ‚Zwangsbehandlung‘.)

Der Maßstab für die Einwilligungsfähigkeit ist ein anderer als der für die Geschäftsfähigkeit. Beispiel: Es gibt viele geistig behinderte oder leicht verwirrte Menschen, denen man Sinn und Zweck einer Operation klarmachen kann; ihnen muss man dann auch die Entscheidung über diese Operation überlassen, weil sie eben in bezug auf eine solche Maßnahme einwilligungsfähig sind. Dieselben Menschen aber sind vielleicht nicht in der Lage, Rechtsgeschäfte zu verstehen und zu beurteilen, und sind dann nicht geschäftsfähig.

Die Entscheidung, ob jemand einwilligungsfähig ist oder nicht, muss also unabhängig von der Entscheidung über die Geschäftsfähigkeit getroffen werden. Sie muss genau genommen in jedem Einzelfall für jede Einzelmaßnahme aufs neue getroffen werden: Jemand, der heute noch total verwirrt ist und daher nicht fähig, vernünftig zu urteilen, kann morgen schon wieder sein Urteilsvermögen wiedergewonnen haben, und dann muss man ihn auch selbst entscheiden lassen.

Der Begriff Einwilligungsfähigkeit bezeichnet genau wie der Begriff Geschäftsfähigkeit einen konkreten Zustand, in dem man sich gerade befindet, und nicht etwa einen amtlich festgesetzten Zustand. Und er bezieht sich immer auf die konkrete Maßnahme, um die es geht. Also kann auch ein Mensch mit einer psychiatrischen Diagnose (z. B. Schizophrenie oder Persönlichkeitsstörung) in Bezug auf eine konkrete Behandlung durchaus einwilligungsfähig sein.

Weiter: 7. Die Person des Betreuers