4. Vorläufige Unterbringung

Das Verfahren in dringenden Fällen

Die Unterbringung wird in einem genau geregelten Gerichtsverfahren genehmigt bzw. angeordnet, dem Unterbringungsverfahren. Das Verfahren ist in beiden Fällen – der zivilrechtlichen wie der öffentlich-rechtlichen Unterbringung – das gleiche. In dringenden Fällen kommt es zu einem verkürzten Verfahren, das zu einer vorläufigen Unterbringung führt.

In der Praxis der Psychiatrie ist die unter Einweisungssituationen als Beispiel 1 geschilderte akute Notsituation sehr häufig. Dann behält man den Betroffenen zunächst einmal ohne Genehmigung des Gerichts in der Einrichtung. Die Klinik muss sofort den Betreuer bzw. Bevollmächtigten benachrichtigen und von ihm die Genehmigung der Unterbringung einholen – vorausgesetzt natürlich, er ist für die Unterbringung zuständig (das Gericht muss ihm vorher den entsprechenden Aufgabenkreis zugewiesen haben). Der wiederum muss sich, falls er eine Unterbringung für nötig hält, unverzüglich ans Gericht wenden und seinerseits dort die Genehmigung beantragen. (Unverzüglich bedeutet in der Sprache der Juristen „ohne schuldhafte Verzögerung“.)

Wenn der Betroffene keinen Betreuer oder Bevollmächtigten hat oder dieser nicht erreichbar ist, muss die Einrichtung spätestens am nächsten Tag beim Gericht die Unterbringung beantragen.

Da ja schnell entschieden werden muss, behandelt das Gericht diesen Antrag in der Regel in einem stark verkürzten und beschleunigten Verfahren, an dessen Ende eine einstweilige Anordnung des Gerichts steht: darin verfügt es die vorläufige Unterbringung und oft auch weitere vorläufige Maßnahmen.

Wenn es um eine vorläufige Unterbringung geht, genügt ein kurzes ärztliches Attest (offiziell ärztliches Zeugnis genannt); ein ausführliches psychiatrisches Gutachten ist hier nicht notwendig.

Im Fall einer zivilrechtlichen Unterbringung leitet das Gericht in der Regel gleichzeitig ein Verfahren zur Bestellung eines Betreuers ein – falls der Betroffene nicht bereits einen Betreuer oder einen Bevollmächtigten hat. Es kann fürs erste einen vorläufigen Betreuer bestellen.

Zu einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung dagegen ist – wie schon erwähnt – kein Betreuer nötig. Es kann aber unter Umständen passieren, dass der Betroffene öffentlich-rechtlich untergebracht wird, obwohl er einen Betreuer bzw. Bevollmächtigten hat; dann hat das Unterbringungsrecht Vorrang.

Auch wenn dieses Verfahren verkürzt ist: Das Gericht darf keine einstweilige Anordnung erlassen, ohne sich einen unmittelbaren Eindruck vom Betroffenen verschafft und ohne ihn persönlich angehört zu haben; der Richter muss sich unverzüglich in die Klinik begeben, um den Betroffenen anzuhören – erst dann darf er die einstweilige Anordnung erlassen. „Unverzüglich“ bedeutet so bald wie möglich,  normalerweise also am nächsten Tag. Vielerorts findet die Anhörung aber erst einige Tage nach der Zwangseinweisung statt.

Nur falls ein ganz besonders dringender Fall vorliegt, darf das Gericht die einstweilige Anordnung ausnahmsweise ohne vorherige persönliche Anhörung erlassen; diese muss aber unverzüglich nachgeholt werden.

Wenn Sie als Betroffener der Ansicht sind, dass Sie zu Unrecht eingewiesen worden sind, dann bestehen Sie darauf, dass der Richter so bald wie möglich kommt, um einen persönlichen Eindruck von Ihnen zu bekommen. Notfalls rufen Sie selbst im Gericht an. Telefongespräche zu den üblichen Tageszeiten muss man Ihnen gestatten. Bedenken Sie aber: Der Richter schließt sich in aller Regel dem Urteil der Psychiater in der Klinik an. Sie sollten sich also gute Argumente überlegen und auch fachkundigen Rat einholen, ob ein Verlangen auf sofortige Entlassung aus der Einrichtung überhaupt Aussicht auf Erfolg hat.

Liegt ein Beschluss des Gerichts nicht wenige Tage nach der Einlieferung vor, darf man den Betroffenen nicht länger festhalten. Allerdings wird ihm der Beschluss normalerweise nicht sofort nach der Anhörung ausgehändigt, sondern mit der Post zugestellt, so dass es einige Tage dauern kann, bis er ihn erhält.

In dem Schreiben, mit dem dem Betroffenen der Beschluss mitgeteilt wird, ist die Höchstdauer der vorläufigen Unterbringung angegeben: Sie darf maximal sechs Wochen betragen; sie kann nötigenfalls verlängert werden bis zu einer Gesamtdauer von drei Monaten.

Wenn die vorläufige Unterbringung später in eine längerfristige umgewandelt werden soll, gibt es ein neues Unterbringungsverfahren. Dazu mehr im nächsten Unterkapitel.

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